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Thema: Der Lichterdieb Do Jul 29, 2010 9:07 pm
Achtung: Diese Geschichte ist keine Harry Potter Fanfiction oder ähnliches Gedöhns. Ich wusste eben nur nicht wohin damit. Alle vorkommen Charaktere und Personen sind mein geistiges Eigentum. Außerdem handelt es sich um eine Kurzgeschcihte in mehreren Abschnitten. Warum? Weil ich einfach noch nicht fertig bin. =P Aber genug des Vorgeplänkels. Viel Spaß beim Lesen und wie immer freue ich mich über jedes Review. ;)
Der Lichterdieb
Part 1 - Laternenlicht
Es war stockfinster. Zwar war die Straße von zahlreichen Laternen gesäumt, die man provisorisch links und rechts in den Bürgersteig gerammt hatte um mit klebrigen Lichtpfützen zumindest die Ränder der schmalen Straße sichtbar werden zu lassen, doch schien keine von ihnen so recht ihr Licht finden zu wollen. Nicht einmal das tiefe Surren der Elektronik im Innern wollte noch einen kläglichen Versuch unternehmen sich an diesem Streik der Laternen zu beteiligen und die blamable Leuchtkraft ebendieser kundzutun. Allein das Knacken der filigranen Büsche am Wegesrand hätte überhaupt irgendeinen Orientierungspunkt geben können, wäre der Wind nicht ein solcher Schelm gewesen und hätte ihr Knistern und Knacken in jegliche Himmelsrichtung verstreut. In einigen Metern Entfernung zu den Gefahren des in völliger Finsternis versunkenen Bordsteins hatte sich eine gedungene Gestalt postiert. Wahrscheinlich waren die zufrieden blitzenden Augen das Einzige, was man von den Häusern aus noch an Schemen und Umrissen erkennen konnte. Der Lichterdieb hatte seine Arme fest vor der Brust verschränkt und starrte grimmig zu den flachen Wohnungen hinüber. Wo manch einer nicht einmal die eigene Nasenspitze noch hätte sehen können, sah der Lichterdieb ohne viel Mühe bis über die Ränder von auf Perfektion getrimmten Rasenflächen und geradezu quadratischen Rosenhecken hinaus. Aus dem stehen heraus machte er einen Satz nach vorn. Während sein Körper sich angespannt und jederzeit zu einem weiteren Sprung bereit zusammen kauerte, klatschten seine ausgelatschten Sportschuhe auf die steinerne Bordsteinkante und gaben dabei ein schmatzendes Geräusch von sich, als seien sie in Matsch gefallen und jämmerlich stecken geblieben. Kaugummi. Der Dieb sog scharf Luft ein, während er sich mit der Geschmeidigkeit eines Raubtiers erneut zu seiner vollen Körpergröße, die gut und gerne mit der eines groß gewachsenen Zwölfjährigen zu vergleichen war, aufrichtete. Dafür, dass seine Gestalt durchaus kindlicher Natur war, konnte der Lichterdieb mit Fug und Recht behaupten alles Süße, das von diesen kleinen Menschlingen so blauäugig in sich hineingestopft wurde, zu verabscheuen. Klebrige Zuckerwatte, Schokoriegel, Karamell und ja, ganz besonders Kaugummis. Sie verklebten nicht nur Zähne vortrefflich, sondern mit ihnen auch das letzte bisschen Fantasie, dass notgedrungen in einem Schwall pappsüßen Zuckerwasser ertränkt wurde, bis sie gurgelnd und blubbernd nichts als Galle hervorbrachte. Angewidert die Nase rümpfend zog der schmächtige Koboldjunge seinen Sportschuh aus dem zuckrigen Morast. Die feine, mit den Zeichen der Sonne gesprenkelte Haut um die Nase herum kräuselte sich noch, da langte er bereits mit seiner linken Hand nach der Sohle und befühlte den matschigen Wabbelzucker mit seinen Fingerkuppen. Das pappige Süß saugte sich an der lichtscheuen Haut fest, schmatzte und schlürfte daran, dass die Härchen des Diebs sich vor Abscheu in Reih und Glied aufstellten. Dann ein Brutzeln und Surren, als hätte der Kaugummi seine Sprache verlernt. Wo eben noch die grün schimmernden Augen des Lichterdiebs jegliche Lichtquelle gewesen waren, zuckten nun kleine Lichtblitze ausgehend von den Fingerkuppen desselben. Eine Weile war nichts weiter zu sehen als die vorbeisausenden Lichter und die großen Schatten, die der Schmächtige Junge auf die Häuserfronten warf. Dann verebbten die tanzenden Schatten zusammen mit ihrer Quelle um lediglich süßen Rauch zurück zu lassen. Der Kaugummi unter den Sohlen des Lichterdiebs hatte sich in ein kümmerliches Häufchen süßer Asche verwandelt, das er nun ohne weiteres wegschnipsen konnte. Zufrieden grinsend stemmte der Kobold nun wieder beide Füße auf den Boden und begann erneut damit den Wohnblock zu mustern. Das gestohlene Licht der Straßenlaternen pulsierte in seiner Hosentasche und protestierte dagegen, dass sich der Dieb so viel Zeit mit der Auswahl eines geeigneten Hauses nahm. Mit einem Schlag der flachen Hand brachte der braunhaarige Knirps die mosernden Lichtpunkte zum Schweigen. Laternenlicht war wirklich unerträglich gelb und hässlich wie die vergammelten Zähne eines Kettenrauchers. Der Lichterdieb konnte es fast genauso wenig leiden wie Süßigkeiten und fette Kinder. Aber zum Glück konnte man diese sumpfigen Lichtklumpen sehr leicht zum Schweigen bringen. So leicht, dass der Kobold bereits überlegte sie gänzlich in seiner Gewalt zu lassen und in ein tiefes Loch irgendwo im Finsterwald zu schmeißen, als er in einem der großen Fenster ein paar Stofftiere entdeckte. „Bingo!“, jubelte das schmächtige Kerlchen und hüpfte mit einem Quaken auf die Straße. Jauchzend und quakend wie ein Frosch sprang er umher, bis er so nahe am Fenster hockte, dass seine Nasenspitze die Wand darunter beinahe zu berühren schien. Kichernd streckte er der grauen Fassade die Zunge heraus und streckte die Arme nach dem schmalen Fenstersims aus um sich daran aus der Hocke hoch zu ziehen. Kaum, dass er einen Blick auf die spiegelglatte Oberfläche des Fensters werfen konnte, lugte ihm bereits das eben ausgemachte Kuscheltier zwischen den zugezogenen Vorhängen entgegen. Einen grauen Plüschhasen in Mitten von Raketen, Sternen und Astronauten wiederzufinden, selbst wenn diese nur Teil der kobaltblauen Vorhänge waren, wirkte irgendwie verstörend auf den glucksenden Lichterdieb. Um ein lautes Auflachen zu unterdrücken presste er seine Lippen fest aufeinander und ließ nur ab und an ein paar giggelnde Worte hinaus: „Häschen, hey Hasenfratze, mach schon auf, ich friere!“ Demonstrativ schlang der Kobold die Arme um sich und führte einen aberwitzigen Tanz vor indem er von einem Bein auf das Andere hüpfte und dabei zitternd mit den Zähnen klapperte. Aber der Hase im Fenster wollte sich nicht so recht von diesem Getöse beindrucken lassen. Stumm saß er da und blickte mit seinen pechschwarzen Knopfaugen zu dem seltsamen wicht hinüber. Dieser wurde nun zunehmend ärgerlicher über die Tatsache, dass man ihn einfach so ignorierte. Mit einem Schlag war er hochgesprungen und glitt mitten durch die Fensterscheibe, die schon bei der ersten Berührung einfach zu zerbröseln schien. Der Hase schien minder geschockt, sondern blieb dumm guckend im Fenster sitzend, während der Koboldjunge einfach über seinem Kopf vorbeisauste. Kaum hatte der letzte Zipfel des Lichterdiebs den Fensterrahmen passiert, setzte sich die gläserne Frontscheibe wieder zusammen als sei nie etwas geschehen.